Sportbrille: Adidas mit Clipsystem. - (Foto: Triathlon-Tipps.de)
Im ersten Teil des Interviews mit Harald Bayer haben wir vieles zum Thema Kontaktlinsen gehört. Jetzt verrät uns der Optiker, worauf man bei Brillen achten sollte, welche Möglichkeiten es beim Schliff gibt und was ein Laserstrahl über die Brille verrät.
Triathlon-Tipps.de: Im ersten Teil des Interviews haben wir viel über Kontaktlinsen als Sehhilfe im Sport gesprochen. Gibt es denn überhaupt noch Argumente für eine Sportbrille?
Harald Bayer: Eben jene Leute, die Kontaktlinsen nicht vertragen oder nicht nutzen möchten. Dann muss man die Sehschwäche mit einer Sportbrille korrigieren.
Triathlon-Tipps.de: Welche Lösungen in Sachen Korrektur gibt es direkt bei Sportbrillen?
Harald Bayer: Im Prinzip drei. Optimal ist wenn das Frontglas, also das normale Sonnenbrillenglas, mit einer Korrektur versehen ist. Mit Kurve und allem, was eine Sportbrille ausmacht. Das begrenzt sich über die Dioptrien. Rein theoretisch kann man bis Minus sechs das Glas bei fast jede Sportbrille mit Stärke einbauen. Nachteil: Es gibt Augen, die es als nicht gut empfinden, wenn die Dioptrien in der Kurve der gebogenen Scheiben mit eingeschliffen sind.
Sind die Dioptrien höher, dann kommt das Clipsystem zum Einsatz. Auf der Innenseite der Brille wird dafür ein weiterer kleiner Rahmen eingesetzt – oft randlos – der dann die Korrektur ausführt. Diese innere Brille funktioniert für die Leute besser als die Frontverglasung, weil sie weniger gebogen ist. Ein paar Grad machen da schon viel aus.
Es gibt noch ein Zwischending, bei dem der Hersteller in die Frontscheibe einen Adapter einbaut. Auf diese Weise sind die Gläser nicht so groß und können mehr Dioptrien haben. Nachteil ist wieder die Verträglichkeit der Biegung.
Triathlon-Tipps.de: Was wäre die teuerste, was die kostengünstigste dieser Varianten?
Harald Bayer: Die teuerste ist die Frontverglasung, die Clipsysteme starten bei uns bei zirka 95 Euro. Frontverglasung ohne Rahmen ab 300 Euro. Es ist eben ein großer technischer Aufwand.
Triathlon-Tipps.de: Wenn wir mal weggehen von den Dioptrien, worauf kommt es bei einer Brille für das Radfahren und Laufen an?
Harald Bayer: Sie muss leicht und sicher sein. Wenn beim Radfahren Steine hochgeschleudert werden, muss das Glas bruchfest sein – das ist ja wie ein Beschuss. Eine Fahrradbrille muss außerdem gut abschließen aber gleichzeitig gut belüftet sein, damit sie bergauf nicht anläuft. Meist sind sie deshalb noch Anti-Fog-beschichtet und zusätzlich mit einem ausgeklügelten Belüftungssystem versehen.
Triathlon-Tipps.de: Kann der Kunde das erkennen, ob es eine für ihn gute Brille ist?
Harald Bayer: Leider nicht wirklich. Das geht nur über Erfahrung. Darum habe ich die gängigsten Brillen für Radsport und Laufen zum Testen für die Kunden da. Ich hatte den Fall eines Rennradfahrers, der wollte eine andere Brille haben. Ich hätte sie ihm verkaufen können, habe sie ihm aber lieber erst zum Testen mitgegeben. Der wäre totunglücklich mit der neuen Brille geworden und ist bei seiner alten geblieben. Ich habe so zwar nichts verdient, aber weiterhin einen zufriedenen Kunden.
Triathlon-Tipps.de: Was rätst Du uns Triathleten?
Harald Bayer: Da würde ich eher eine Brille mit durchgängiger Scheibe nehmen, da die meist leichter konstruiert sind und beim Laufen angenehmer sind.
Triathlon-Tipps.de: Ergeben Wechselgläser und unterschiedliche Farben einen Sinn?
Harald Bayer: Natürlich! Extreme Lichtsituationen packt ein Allroundglas einfach nicht.
Triathlon-Tipps.de: Gib mir ein Beispiel.
Harald Bayer: Gleißendes Sonnenlicht. An einem Sonnentag mit wenig Schatten – vielleicht noch im Süden – da kann ein Allroundglas mit 70 Prozent Tönung einfach zu wenig sein.
In unseren Breiten, wo sich Licht und Schatten oft abwechseln, kommt man mit dem Allroundglas über den ganzen Tag. Wird es ganz diffus, hilft ein orangefarbenes Wechselglas, das aber bei Sonne wieder viel zu hell wäre.
Triathlon-Tipps.de: Was bewirkt ein orangefarbenes Glas?
Harald Bayer: Eine Kontraststeigerung. Am besten sieht man das im Schnee. Beim Fahrradfahren nehme ich orange Wechselgläser her, wenn es den ganzen Tag bewölkt ist oder wahrscheinlich zu regnen anfängt.
Triathlon-Tipps.de: Bei mir hat das auch noch einen psychologischen Effekt. Bei langen Radfahrten im Regen – und da hatte ich einige beim Langdistanztraining – wurde alles etwas freundlicher und klarer. Das hat meine Stimmung auch gesteigert.
Harald Bayer: Es gibt einige Sportbrillen, wo ein zweites helleres Glas dabei sind. Meine Kunden wechseln allerdings wenig, sind meist mit dem Allroundglas zufrieden.
Triathlon-Tipps.de: Es gibt auch gelbe Gläser …
Harald Bayer: Ja, aber die orangenen Gläser haben demgegenüber immerhin noch einen 15 prozentigen Tönungsanteil. Sprich: Wenn die Sonne mal rauskommt, kann ich mit den orangen Gläsern noch leben. Bei einer gelben Färbung musst Du das Glas praktisch sofort wechseln, denn das verstärkt die Sonne quasi noch und Du wirst mehr geblendet als ohne Brille. Am Ende hängt es aber auch stark vom Empfinden des Trägers ab, ob er lieber Gelb oder Orange mag.
Triathlon-Tipps.de: Gibt es weitere Farben?
Harald Bayer: Es gibt Braun zum Beispiel bei Allroundgläsern, sogar mit einem leichten rosa Einschlag. Die haben ebenso einen kontraststeigernden Effekt, Du hast immer eine leicht aufhellende Wirkung dabei. Wenn Du von gleißender Sonne in einen Wald fährst, wird es mit einem grauen Glas schlagartig dunkel. Mit dem braunen kannst Du immer noch was erkennen. Aber auch hier gibt es wieder Leute, die sagen: Braun geht gar nicht. Am Ende hilft wieder nur das Testen.
Triathlon-Tipps.de: Bieten viele Optiker an, Sportbrillen zum Testen mitzunehmen?
Harald Bayer: Die wenigsten.
Aber ich denke mir: der Kunde kann mir vertrauen, aber in einem Beratungsgespräch kann man eben nicht alles wissen. Ich bin überzeugt von meinen Brillen hier, aber für den Kunden stellt sich eine Brille im Training eben anders dar. Jede Anatomie ist anders, die Wangen, die Nase … Fragen wie die Dichtigkeit am Gesicht, der Sitzkomfort der Bügel und des Nasenstegs, die Farbwirkung der Gläser – das kann man erst nach einer oder zwei Stunden Fahren beurteilen. Und nicht nach zehn Minuten. Klar kann ich schon mit Erfahrung einiges sagen. Aber ich verkaufe auch lieber mal keine Brille und der Kunde ist dennoch zufrieden, denn sonst kommt er beim nächsten Mal gar nicht mehr.
Triathlon-Tipps.de: Gibt es für Dich ein Ausschlusskriterium? Etwa bei Billigbrillen?
Harald Bayer: Ja, die Glasqualität. Wenn ich eine Sportbrille für 14,90 Euro aus dem Supermarkt kaufe, dann kann die Glasqualität nicht gut sein. Das geht einfach nicht.
Es gibt Tests, die das zeigen. Wenn Du einen Laser – also einen extrem geraden und gebündelten Lichtstrahl an die Wand wirst und ein Brillenglas in den Strahl hältst, da glaubst Du nicht, was an der Wand alles rauskommt. Da werden aus einem Lichtpunkt plötzlich zwei. Oder der Punkt ist einen halben Meter weiter oben. Da sind also Fehler im Glas. Für den Sportler heißt das dann: Sein Gehirn muss eine Krümmung oder Unschärfe korrigieren. Macht er das über Stunden, bekommt er vielleicht Kopfschmerzen und büßt sogar Leistungsfähigkeit ein.
Wenn ein Ausdauersportler kein gutes Sehen hat, kann das im Extremfall bis zu 30 Prozent der Leistungsfähigkeit schmälern.
Triathlon-Tipps.de: Soll das heißen, ein schlechtes Glas macht mich langsamer?
Harald Bayer: Definitiv. Das gilt ja auch für das Radfahren, weil Dich das Arbeit kostet: Was ist denn das da vorne auf der Straße, muss ich aufpassen? – Schon bremst man ein bisschen. Sehe ich es gleich richtig, muss ich mir keine Gedanken machen.
Ganz günstige Sachen gehen also gar nicht. Es muss einem schon etwas wert sein. Ein Carbonrad mit 8.000 Euro, aber die Brille darf nichts kosten? Das passt doch nicht. Auf dem Fahrrad muss man auch gut sehen können.
Triathlon-Tipps.de: Wie erkenne ich denn ein gutes Glas? Nur am Preis?
Harald Bayer: Naja, es gibt halt nicht so viele, die sich wirklich professionell mit Sportoptik befassen. Ich nenne die Namen jetzt halt mal: Bei Oakley oder Adidas haben sich ganze Ingenieursgeschwader darüber Gedanken gemacht. Und natürlich auch bei einigen anderen. Da hat man die Gewähr, dass die Gläser gut sind und dann ist halt wieder die Frage, welche Marke hat die passende Brille für mein Gesicht.
Triathlon-Tipps.de: Thema Sicherheit noch einmal: Reicht die Bezeichnung „bruchfest“ bei einer Sportbrille?
Harald Bayer: Bei CR-39-Material – also das normale Kunstoffmaterial jeder Sonnenbrille – reicht es nicht, da geht ein Steinschlag auf dem Rad unter Umständen sogar durch. Die wirklich guten Scheiben sind aus Polycarbonat. Ein sehr leichtes und bruchfestes Gläsermaterial. Sein Nachteil ist aber: Die Klarheit des Grundstoffs ist zunächst nicht so gut. Da gibt es wenig Hersteller, die das Granulat so filtern, dass von einem großen Haufen Granulat am Ende nur zirka fünf Prozent für die Produktion hergenommen werden, weil das die Anteile sind, die ganz klares Sehen ermöglichen. Das merkt man, wenn man die aufsetzt. Man bleibt entspannt und alles im Sichtfeld zeigt sich immer klar.
Aber: Dieser Prozess des Filterns und Verarbeitens macht die Brille eben wieder teuer.
Triathlon-Tipps.de: Nun bin ich jenseits der 40 Jahre und trage eine Gleitsichtbrille im täglichen Leben. Ist Gleitsicht im Sport auch ein Thema?
Harald Bayer: Wenn Du das Display am Lenker nicht mehr siehst, ist es hilfreich. Aber das ist sehr individuell. Ich habe Rennradfahrer, die fahren mit Gleitsicht, andere stört es. In der Kurve wirkt sich die Gleitsicht für viele ungemütlich aus. Auf jeden Fall ist eine Gleitsichtoptik auch bei der Sportbrille wieder teurer.
Triathlon-Tipps.de: Ok, aber für Läufer wäre das nicht notwendig?
Harald Bayer: Wenn die Dioptrien dann zu hoch sind, würde einen die Gleitsicht stört, gerade wenn man Trails oder kompliziertes Gelände läuft. Aber die Hersteller, mit denen ich zusammenarbeite, geben zum Beispiel eine Unverträglichkeitsgarantie speziell im Sport aus. Heißt: Wenn die Brille so nicht vertragen wird, kann das Gleitsichtelement weggelassen werden und der Differenzbetrag wird ausbezahlt. So geht man kein Risiko ein.
Triathlon-Tipps.de: Gibt es eigentlich auch Schwimmbrillen mit Schliff?
Harald Bayer: Klar, da gibt es Fertiglösungen, die so bis Minus sechs gehen, allerdings nicht super exakt von der Korrektur her sind. Mann kann es sicher auch individuell machen, aber da kommen Kosten, die nicht im Verhältnis stehen auf einen zu. Aber dieser Fertiglösungen können durchaus für die Sicht beim Schwimmen reichen – wenn eben nicht die Kontaktlinse hergenommen wird.
Triathlon-Tipps.de: Hast Du einen Hersteller für solche Schwimmbrillen im Sinn?
Harald Bayer: Nein. Da ist die Anatomie ganz entscheidend. Da sollte man mehrere zur Anprobe testen können.
Triathlon-Tipps.de: Harald, ich danke Dir für die Einblicke in die Optikerseele.
Harald Bayer: Gerne.
Transparenz:
Ich habe Harald Bayer durch eine Aktion der Firma Zeiss kennengelernt, bei der ich für eine andere Webseite tätig war und auch entlohnt wurde. Im Gespräch sind wir beide auf das Thema Sportbrillen gekommen, und ich habe bemerkt, dass Harald mir hier viele Fragen beantworten konnte. Darum habe ich dieses Interview mit ihm zum Thema Kontaktlinsen und Brille im Bereich Sport und Triathlon geführt. Für diese Beiträge floss keinerlei Geld und es wurden keinerlei Gegenleistungen vereinbart.