: - (Foto: ©iStock.com/mowellington)
Um es vorweg zu sagen: Ich möchte die POSE Methode nicht generell heruntermachen. Ich möchte aber den Anstoß dazu geben, sie kritisch zu diskutieren. Denn mir scheint, dass eine sinnvolle Auseinandersetzung damit im Internet nur sehr punktuell stattfindet.
Dieser Artikel sammelt einige Meinungen und gibt deren Quelle an. Dazu kommen noch einige eigene Betrachtungen und Denkanstöße. Am Ende soll sich aber jeder selbst eine Meinung bilden.
Was ist die POSE Methode?
POSE wurde vom russischen Wissenschaftler Dr. Romanov entwickelt. Seine Vita ist beeindruckend.
Eine Kernthese von Dr. Romanov:
„The great runner is not impervious to gravity; instead he taps it as a readily available source of free energy.“
Zu deutsch:
„Der großartige Läufer ist nicht gleichgültig gegenüber der Schwerkraft; stattdessen zapft er sie als bequem verfügbare Energiequelle an.“
Und weiter:
„In the same way that the tremendous force of gravity inevitably draws a free-falling skyediver toward Earth, we can appropriate the force of gravity to run further, faster and with less effort.“
Zu deutsch:
„Wie ein Fallschirmspringer unweigerlich von der Schwerkraft zur Erde gezogen wird, können wir uns die Schwerkraft aneignen um weiter, schneller und mit weniger Anstrengung zu laufen.“
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Dr. Romanov macht anschließend noch einen Vergleich zwischen dem Wind bei Seglern und der Schwerkraft für Läufer auf. Alle Zitate stammen aus “Dr. Nicholas Romanov’s Pose Method of Running: A New Paradigm of Running” von Seite 62.
Die POSE Methode basiert darauf, dass der Läufer nur nach vorne kippen muss, also quasi per Schwerkraft fällt, um eine horizontale Vorwärtsbewegung zu erreichen.
Die Kritik: Die Idee der Schwerkraft als Antrieb
An diesem Bild der Schwerkraft setzt nun Kritik an. Denn einige argumentieren so: Zum Bewegen eines Körpers muss eine Kraft in Bewegungsrichtung wirken. Die Schwerkraft allein würde den Körper nur nach unten beschleunigen. Also muss eine Kraft in Laufrichtung wirken, und die wird durch einen Abdruck auf dem Boden erzeugt. Und das widerspricht der These von Dr. Romanov.
Sollte diese Kritik an der Idee als Antriebskraft stichhaltig sein, so wäre die POSE Methode ja nicht gleich nutzlos. Sie wäre immer noch ein Laufstil, der vielleicht sein Gutes hat. Wie sieht es denn in diesem Bereich aus, und was sagt die Wissenschaft überhaupt?
Die Studie: Zwiespältiges Ergebnis
Es gibt eine Untersuchung aus dem Jahre 2005 mit Amateur-Triathleten im Vergleich vorher und nachher. Sie wurden jeweils zwölf Wochen mit der POSE Methode unter Aufsicht von Dr. Romanov selbst unterrichtet.
Die wichtigsten Ergebnisse:
- die Schrittlänge der Läufer verkürzte sich
- es wirkte weniger Kraft auf das Knie ein
- die Laufökonomie nahm ab
Quelle: National Center for Biotechnology Information
Das kann man nun so auslegen, dass POSE vor Knieverletzungen schützt. Nicht von der Hand zu weisen, ist aber die Einbuße der Laufökonomie. Banal gesagt werden Läufer mit der Methode also laut der Studie nicht unbedingt schneller als ohne.
Interessant wird es, wenn man tiefer in die Studie eintaucht und auch die Erkenntnisse aus der Zeit nach der Studie noch in Betracht zieht. Denn die beiden Sport-Mediziner Ross Tucker und Jonathan Dugas, die selbst Teilnehmer waren, stellen auf ihrer Webseite den weiteren Verlauf aus ihrer Sicht dar – ein durchaus sehr lesenswerter Artikel (hier klicken).
Sie berichten von einer Verlagerung der Kräfte am Knie Richtung Knöchel und daraus resultierenden Beschwerden in Waden und der Achillessehne bei den trainierten Läufern.
Ihre Hauptkritik an POSE: Wenn kein Trainer mehr dabei ist, werden die Läufer sehr leicht verletzungsanfällig.
„[…] it doesn’t matter whether it was because they ran incorrectly, the point is that they DID. What good is a technique if it gets taught and then is ‚forgotten‘ or unlearned in only two weeks? Remember, these 20 people received the very best training they could – two sessions a day, individual attention, for a solid week. Yet somehow, they still manage to make errors and land up injured! Imagine if they were simply attending a weekend workshop or course, where they are one of a hundred people!“
Meine Kritik: Fundamentalistischer Eifer
Mir fehlt der wissenschaftliche Hintergrund, um zu bestimmen, wer in diesem Streit Recht hat. Allerdings möchte ich einige Beobachtungen anführen, für die es keine Wissenschaft braucht.
Ich meine auf diversen Plattformen und Foren einen gewissen religiösen Eifer zu spüren. Mir scheint, es gibt da “POSE Jünger”, die nichts anderes als die Idee der Schwerkraft als Antrieb gelten lassen.
Hier scheint mir oft missioniert zu werden und andere Aussagen diskreditiert zu werden. Das sehe ich bei fast keinem anderen Thema in dieser Art und Weise. Und gutes Beispiel von “Eifer” gegen “Wissenschaft” findet sich in diesem Forums-Beitrag auf Runnersworld – wer ein bisschen Zeit hat, wird hier eine sehr interessante und differenzierte aber lange Auseinandersetzung mit POSE finden.
Die POSE Methode wird übrigens von zertifizierten Coaches gelehrt. Das heißt, dass der Trainer auch erst einmal Geld bezahlen muss. Das ist nicht schlecht und sagt nun nichts über die Qualität von POSE aus, aber es ist eben auch ein Geschäft. Und das sollte man sich dabei vor Augen halten, wenn geeifert und diskutiert wird.
Was mich wirklich sehr stört bei der Sache: Oft werden von POSE-Anhängern Spitzenläufer wie der legendäre Haile Gebrselassi angeführt, um ihre Methode zu propagieren. Der laufe ja genauso, wie es POSE lehre. Nun, er läuft einen guten Stil – der sich nebenbei auch mit der Zeit geändert hat, oder je nach Distanz ändert, siehe dazu hier, aber ob er sich der Erklärung vom Vorwärtsfallen anschließt oder POSE gut findet, davon habe ich bisher nichts gehört.
Fazit: POSE ist kein heiliger Gral des Laufens
Die POSE-Methode als Laufstil muss nicht schlecht sein. Sie scheint zum Beispiel für die Knie gesünder zu sein. Allerdings ist sie auch leicht weniger ökonomisch und scheint für Knöchel und Waden gefährlicher zu sein.
Bei POSE darf man nicht vergessen, dass es sich um ein System von Zertifizierung handelt. Der Trainer zahlt an Ausbilder, um mit der Methode werben zu dürfen. Es stecken also klare kommerzielle Interessen dahinter – was per se keine Kritik sein soll, sondern nur eine Klarstellung.
Starke Kritik setzt an der Erklärung der Schwerkraft als Energiequelle an, für die es keinen schlüssigen Beweis gibt.
Wenn POSE einem Läufer also hilft, um so besser. Es kann aber auch sein, dass ein Trainer ohne POSE-Zertifikat zu einem guten Laufstil verhilft. Oder dass das Anwenden von POSE etwas verschlechtert.
Das ist der wichtige Punkt: Man sollte POSE nicht als einzig wahre Lauftechnik begreifen. Überhaupt halte ich es für fraglich, ob es den einen Laufstil für alle Läufer gibt, oder ob ein guter Stil nicht etwas Individuelles sein kann, ja sogar sein muss.
Hallo Stephan Goldmann,
mich würde interessieren wie Du zu Deinen Informationen gekommen bist und welchen HIntergrund Du in Deiner Ausbildung hast.
Weiterhin wäre es sicher hilfreich (für alle) sich im Vorfeld mit der Methodik und den Ansätzen der Pose Methode auf einem wissenschaftlichen Level auseinander zu setzten, bevor man halbfertige Informationen („Tipps & Tricks“) verbreitet.
Hallo wheiser,
ich bin Journalist, meine Ausbildung ist also dahingehend gesichert, dass ich aus diversen Quellen Informationen aggregieren kann, sie transportieren und daraus auch Schlüsse ziehen kann. Das habe ich hier mit Quellenangaben möglichst sorgfältig getan und – wie ich eingangs auch schreibe – darf sich jeder hier eben selbst ein Bild machen.
Ich sehe natürlich, worauf Deine Frage eigentlich abzielt: Du möchtest mir die Kompetenz absprechen, über POSE urteilen zu dürfen. Das darfst Du hiermit auch gerne tun, ich schreibe das ja selbst direkt unter dem Punkt „Meine Kritik: Fundamentalistischer Eifer“.
Ich lade Dich herzlich ein und gebe Dir hier auch gerne Platz, einen Artikel zu schreiben, der uns zum Beispiel wissenschaftlich den Zusammenhang erklärt, wie die Schwerkraft einen Vortrieb in Bewegungsrichtung erzeugt.
Wie wäre es?
Viele Grüße
Stephan
Ein kleiner Nachtrag vielleicht noch. Triathlon-Tipps.de besteht auch nicht nur aus Artikeln von mir. Wenn Du Dir die Mühe machst und Dich mit der Website etwas auseinandersetzt, wirst Du feststellen, dass hier verschiedene erfahrene Athleten, ausgebildete Trainer und Sportwissenschaftler entweder mit eigenen Beiträgen oder in Interviews zu Wort kommen.
Hallo,
das mit dem missionarischen Eifer mag stimmen. Auch finde ich, dass viele Seiten im Internet die „Pose Methode“ nicht wirklich gut beschreiben.
Im Prinzip geht es zunächst einmal darum, dass Romanov aussagt, dass das Verständnis wie der Vortrieb beim Laufen entsteht falsch verstanden wird und eben nicht aus der Abdruckbewegung und der hierfür aufgewendeten Muskelkraft entsteht.
Die Gravitationskraft wirkt auf den Körperschwerpunkt senkrecht nach unten. Der Körper wird durch das Bein mit Bodenkontakt gestützt und wirkt nach oben in Richtung Körperschwerpunkt (Reaktionskraft). Ist der Körperschwerpunkt über dem Fuß heben sich Gravitationskraft und Reaktionskraft auf (Stand). Ist der Schwerpunkt vor dem Bodenkontakt beschleunigt man nach vorne. Und wenn man keinen Schritt macht, so lange, bis man auf der Nase liegt. Also macht man einen Schritt und dann wieder und wieder – voila man läuft. Da ist also die horizontal Vortriebskraft nur nach Pose eben nicht aus dem Beinabdruck.
Die Pose Methode sorgt nun nur dafür, dass man diese physikalischen Gegebenheiten optimal ausnutzt – das ist alles.
Sportliche Grüße,
Hans-Jörg
Ganz so einfach kann man es sich hier nicht machen. Was mich bei solchen Diskussionen immer sehr stört ist, dass nur über das Vorhandensein von Kräften gesprochen wird, nicht über Zahlenwerte, die man mit Werten anderer mitwirkender Kräfte vergleichen kann. Mit einem Kräfteparallelogramm kann man nachweisen, dass es beim Fallen eine resultierende Kraft nach vorne UND nach unten gibt, das deckt sich mit der Alltagserfahrung. Allerdings muss die Komponente nach unten auch wieder aufgefangen werden, zu starkes nach vorne Lehnen erscheint mir daher nicht so effizient. Der andere Punkt ist, dass beim Langstreckenlauf eine eher konstante Geschwindigkeit angestrebt wird. Angenommen ich beschleunige bei jedem Fallschritt, dann werde ich entweder immer schneller (was im Widerspruch zur gewünschten konstanten Geschwindigkeit steht, oder die Beschleunigung muss im Prozess eines Halbschrittes wieder durch Bremskräfte (und durch Reibung in den Gelenken,…..) kompensiert werden (konstante Geschwindigkeit heißt ja Beschleunigung =0). Genau an dieser Stelle müssen Werte miteinander verglichen werden, alles andere mündet in Hirngespinsten, von denen sich keiner sicher sein kann, ob sie auch wirklich etwas mit der Realität zu tun haben.
Hallo Schwary,
Ja, diese Argumentation kenne ich auch schon. Aber wie bringe ich denn den Schwerpunkt ohne Abdruck nach vorne?
Die Schwerkraft wirkt nach unten. Wenn ich stehe, ist das ein Druck nach oben. Egal wie, irgendwo muss ein Impuls in Laufrichtung wirken. Der einzige Punkt, wo wir gegen drücken können, um Vortrieb zu erzeugen ist der Boden. Dort haben unsere Füße Kontakt. Kurz: die Schwerpunkt Verlagerung funktioniert per Abdruck. Ohne den bleibt der Schwerpunkt wo er ist.
Ohne irgendwie gearteten Abdruck vom Boden weg nach vorne kann sich niemand vorwärts bewegen. Es ist physikalisch unmöglich.
Sonst gäbe es ja auch schon Schwerkraft Autos…
Gerne lasse ich mir von einem Biomechaniker oder Physiker etwas anderes beweisen.
Wenn Romanov das nur als Bild für einen entspannten Laufstil verstehen möchte, dann wäre es etwas anderes.
Viele Grüße
Stephan
Hallo Stephan,
spontan würde mir da ein Ball einfallen, der den Berg runter rollt. Denke da braucht man keinen Abdruck vom Boden. Der rollt einfach, weil ihn die Schwerkraft nach unten zieht.
Das Prinzip heißt physikalisch gesehen, der Ball auf der schiefen Ebene.
Könnte man dann ja auch auf den Körperschwerpunkt übertragen. Klar braucht man am Anfang eine gewisse Kraft, um den Körperschwerpunkt nach vorne zu bringen, aber Abdruck eigentlich nicht.
Der Rest von Schwary klingt dann irgendwie plausibel.
Hallo Besucher,
Ja, wenn wir alle Bälle wären und es ständig bergab ginge, könnte das funktionieren. Nur sind wir leider keine Bälle und sobald wir „unten am Berg“ sind, müssen wir wieder hinauf. Das bedeutet: Wir müssen uns gegen die Schwerkraft nach oben stemmen und die, von Dir selbst eingeräumte, Kraft nach vorne erneut erbringen. Das machen wir bei jedem Schritt, und die Kraft nach vorne ist der Abdruck, den wir erzeugen.
Aber ich freue mich, dass wir hier immerhin langsam in eine schöne Diskussion einsteigen.
Viele Grüße
Stephan
Hallo Stephan,
ich finde den Vergleich mit dem Ball nicht ganz richtig. Ich verstehe die Nutzung der Schwerkraft bei pose eher so:
Stelle Dir eine einen senkrecht stehenden Stab vor. Der Punkt des Stabes der den Boden berührt wäre beim Laufen der Bodenkontakt mit dem Fuß. Gerät der Stab aus dem Gleichgewicht, fällt er in eine Richtung. Dabei legt das obere Ende (beim Laufen die Hüfte) nicht nur eine Strecke in vertikaler, sondern auch in horizontaler Richtung zurück. Fällt der Stab komplett, so entspruicht die horizontale Strecke der Stablänge. Es geht also bei Pose darum, den Körperschwerpunkt vor den Support zu verlagern und ab dem Moment, in dem der Körper das Gleichgewicht verliert, die Schwerkraft auszunutzen um nach vorne zu fallen. Anders als bei dem Stab wird jeder Fall von einem Wechsel des Supports abgefangen. Aktiv müssen bei Pose aus meiner Sicht nur die Kräfte aufgebracht werden, um den Supportfuß zu wechseln und um den Körper aus dem Gleichgewicht zu bringen. Dies geschieht durch ein Lehnen des Körpers nach vorne. Dabei bleibt der Oberkörper aufrecht, anders als man bei der Lektüre verschiedener Beiträge zum Thema denken könnte. Ich habe irgendwo einen wie ich finde guten Vergleich gelesen. Stelle Dir vor, Du balancierst einen Ball auf einem Stab. Um den Ball auf dem Stab zu halten, führt Dein Körper ganz automatisch Korrekturbewegungen aus. Diese sind, wie ich finde, nahe an dem im Pose als „lean forward“ benannten Element der Posetechnik. Auch hifreich finde ich das Rückwärst laufen, da man hier keinen Abdruck ausführen kann. Laufe auf der Stelle und achte darauf, was Dein Körper tut, um Rückwärts zu laufen.
Vom Gefühl her ist es die Hüfte mit der man sich nach vorne lehnt. Lehnen und Fallen sind also zwei verschiedene Bestandteile der Posetechnik, das Fallen ist die Folge des Lehnens.
Wichtig ist hierbei auch noch, dass das Körpergewicht auf den Ballen liegt, der Körper also schon im Stehen minimal nach vorne gelehnt ist.
Es gibt eine Übung mit der man die Vorwärtsenergie die entsteht, eindrucksvoll erleben kann.
Stelle Dich in der Pose-Haltung vor eine Wand, noch mit beiden Füßen am Boden. Wenn Du richtig stehst und jetzt das Pull mit einem Fuß ausführts, verlierst Du das Gleichgewicht und machst automatisch eine Bewegung auf die Wand zu. Beim Abstützen an der Wand wirst Du merken, wie viel Kraft dahinter steckt.
Rein physikalisch gesehen, findet natürlich ein Abdruckt statt, aber passiv und nicht aktiv.
Grundsätzlich fand ich die Methode zumindest im ersten Pose-Buch schlecht erklärt und mit haarsträubenden Beispielen „untermauert“.
Die neuen Videos erklären die Methode aber ziemlich gut.
Mir hat Pose nach viel Verwirrung geholfen leichter und lockerer zu laufen bzw. einen besseren Laufstil zu erarbeiten.
Viele Grüße, Andreas
Hallo Stephan,
als Kommentar zu den Kommentaren sehe ich dies so:
das Anheben eines Beines beim Gehen nach vorne führt wegen der Schwerkraft irgendwann dazu, dass wir nach vorne fallen. Wenn wir dies bewusst wollen helfen wir nach, indem wir unseren Oberkörper mit nach vorne beugen. Die Hüfte folgt gleichzeitig oder kurz danach!?!
Nun stehen wir da und kommen nur weiter wenn wir auf dem vorderen Fuß abrollen und die Ferse am hinteren Fuß anheben. Das macht definitiv nicht die Schwerkraft. Auf den Fußballen zu gelangen erfordert Wadenmuskulatur. Versucht mal den Berg nur mit Schwerkraft hoch zu laufen. Das sieht bestimmt witzig aus.
Ich hatte mal eine Zerrung in der Wade und da ließ sich beim einbeinigen Versuch die Ferse keinen Millimeter vom Boden anheben.
Beim Laufen kommt noch hinzu, dass wir ja etwas springen müssen um überhaupt eine Laufbewegung zu erhalten. Wir laufen ja nicht nur mit passiven Abdruck wie auf einem Laufband oder wie Michael Jackson beim Moonwalk (allerdings wäre das rückwärts), sondern irgendeine Muskelkraft treibt uns hoch und auch nach vorne (Waden).
Die Vorteile des Vorfuß-Laufes sind eigentlich nichts Neues. Das irgendjemand dies Pose-Methode nennt oder Chi-Running, Natural Running usw. ist wahrscheinlich nichts anderes wie wenn man „Kosten- und Leistungsrechnung“ mit angeblich neuen Erkenntnissen und Änderungen „Controlling“ nennt (ich bin Buchhalter).
Die Nachteile für die Achillessehne / Waden wird leider meistens verschwiegen!
Man könnte noch das notwendige Anfersen (Ferse zum Po) dazu nehmen, was ja auch „immer“ wichtig ist für die perfekte Lauftechnik. Wenn ich bei einem Marathon immer korrekt anfersen würde, bekäme ich sehr sehr schnell Krämpfe in den hinteren Oberschenkeln. Andere vielleicht eher nicht.
Nehmt von allem etwas mit und versucht etwas herum zu experimentieren und nehmt dann die für euch beste Laufmethode / -technik für den jeweiligen Lauf.
Ich bin allerdings nur ein Hobby-Läufer und kein Wissenschaftler.
Viele Grüße
Micha
Hallo Stephan,
ich weiß nicht, wie alt dieser Thread ist, aber ich möchte gerne auch etwas dazu beitragen.
Pose-Running ist natürlich keine neue Lauftechnik. Romanov war nur einer der wenigen, die sich über Jahrzehnte ernsthaft mit dem Laufstil der besten Läufer der Welt auseinandergesetzt haben. Selbst im Langstreckenbereich und sogar im Ultra-Bereich (z.B Scott Jurek) setzen die besten Läufer der Welt mit dem Vorfuß zuerst auf der Erde auf. Noch entscheidender an deren Lauftechnik ist aber, dass sie den Fuß unter dem Körper oder knapp davor aufsetzen.
Die Triathleten in Romanovs Versuch waren vermutlich vorher Rückfußläufer. Die meisten Rückfußläufer nutzen weder die anatomischen Vorzüge eines starken Fußgewölbes noch die extremen Rückstellkräfte einer guten Achillessehne auch nur ansatzweise aus. Und auch die Wadenmuskulatur wird beim Rückfußlauf kaum genutzt. Viele Rückfußläufer laufen zudem mit nach vorn leicht abgewinkeltem Oberkörper, so dass die Oberschenkel und weniger die Rumpfmuskeln (Psoas) benutzt werden. Die besten Läufer tun das Gegenteil: Sie neigen sich mit dem gesamten Körper nach vorn und nutzen die Schwerkraft nicht mehr oder weniger als ein Einradfahrer, der sich nach vorne neigen muss, wenn er während der Fahrt das Gleichgewicht aufrechterhalten will. So auch der oben zitierte Gebrsselassie und sämtliche Kenianer, die ich bislang gesehen habe. Wenn der Körper über das Standbein nach vorne fällt und im nächsten Moment durch das andere Standbein aufgefangen wird, wobei auch nachweislich die größten Kräfte im Gesamtablauf auftreten, dann entsteht eben doch ein Moment in Laufrichtung. Wenn ich mich nicht auffangen würde, dann würde mein Kopf immerhin ca. 180cm weiter vorne auf der Erde aufschlagen. Dieses Vorwärtsmoment entsteht ohne aktiven Abdruck, nur über eine Gewichtverlagerung.
Dies meint Romanov, wenn er die Schwerkraft nutzt, anstatt gegen sie zu arbeiten. Schwerkraft ist natürlich keine Energie, aber doch mit weitem Abstand die größte Kraft, die auf den Läufer wirkt. Romanov ist ja kein Spinner, der an Perpetuum Mobiles glaubt. Und die vermeintliche Abdruckmuskulatur ist im Augenblick des vermeintlichen Abdrucks tatsächlich inaktiv, was klinische Tests bestätigen (McClay, Lake, Cavanagh 1990).
Nun zurück zur Laufökonomie: Jahrzehnte ausgeführte Bewegungsmuster hinterlassen gravierende Spuren in jedem Körper. Die Unterschiede zwischen Rückfuß- und Vorfußlauf sind in ihrer muskulären, faszialen und koordinatorischen Beanspruchung sehr groß. Man kann in 12 Wochen sicherlich die Technik des Vorfußlaufes halbwegs erlernen (als Autodidakt eher nicht in diesem Zeitraum). Allerdings kann man als gut trainierter Amateur-Läufer in dieser Zeit keinesfalls sein Trainingspensum aufrechterhalten. Zuerst benötigt man eine neue oder zumindest runderneuerte Achillessehne, sonst gibt’s böse Schmerzen. Die Achillessehne baut sich in etwa einem Jahr um, bis dahin läuft man mit einer ziemlich ungeeigneten Sehne. Die Wadenmuskulatur muss ganz andere Aufgaben verrichten. Dauer der Muskelumstrukturierung: mindestens ein halbes Jahr, eher länger. Der Rücken wird anders beansprucht, die Fußmuskulatur macht schlapp, es können sogar Belastungsfrakturen drohen. Schuld daran ist weder Dr. Romanov noch die Kenianer und Äthiopier, die es uns vormachen wie es geht. Schuld daran ist unser Zivilisationsverhalten: Wer den ganzen Tag Orthesen in Form von Schuhen trägt, darf sich nicht wundern, dass die Füße schwach sind.
Ich habe selbst die Umstellung vom Fersengetrampel zum echten Laufen vollzogen, in etwa zwei Jahren. Dafür kann ich jetzt aber mehrere Stunden lang auf Alpentrails mit Fivefingers laufen und 15 km butterweich gänzlich barfuß auf Asphalt laufen, ohne die geringsten Beschwerden. Für mich fühlt sich Rückfußlauf mittlerweile so falsch an, als wäre es etwas völlig artfremdes.
Ein Vergleich der Laufökonomie nur 12 Wochen nach der Umstellung auf Pose, Chi oder ähnliches kann auf gar keinen Fall ein belastbares Ergebnis bringen. Nach dieser Zeit wäre ein Wettkampf z.B ein ziemlich sicherer Garant für eine Verletzung. Und wenn man Vorfußtechnik in weich gedämpften Joggingschuhen betreibt, ist der „Rückfall“ vorprogrammiert.
Ihre „Kritische Betrachtung“ ist im Endeffekt dann doch recht unkritisch. Die beiden Sport-Mediziner Ross Tucker und Jonathan Dugas, die nach Abschluss des Trainings durch Romanov der Versuchung erlegen sind, die Laufökonomie zu vergleichen, sind schon äußerst unbedarft. Als Arzt müsste man wissen, wie lange es dauert, bis sich ein Körper auf deutlich veränderte Bewegungsmuster umstellt. Zudem sollten sie auch wissen, wie langsam Veränderungen im Ausdauersport vor sich gehen.
Und natürlich gibt es auf dieser Welt Pose-Fundamentalisten, wie es halt Fundamentalisten in allen Lebensbereichen gibt. Romanovs Buch „The Running Revolution“ (2014) ist allerdings so nüchtern wie ein Sportbuch nur irgendwie sein kann. Wenn sie ein Buch von Romanov gelesen haben, werden Sie selber wissen, dass seine oben angeführten Zitate leidlich aus dem Zusammenhang gerissen sind und nicht so zu verstehen sind, wie Sie sie interpretieren und hinstellen. Ihr leicht provokativer Artikel hat aber zumindest bei mir die Energie frei gemacht, dass ich hierauf unbedingt antworten musste.
Nein, es gibt auch nicht den einen Laufstil. Aber es ist vermutlich kein Zufall, dass die besten Läufer der Welt doch alle etwas sehr ähnliches tun, während wir hierzulande meilenweit hinter der Weltspitze trotten und die meistgelesenen Laufbücher von drittklassigen Marathonläufern stammen.
Schönen Gruß
Michael D
Hallo Michael,
ersteinmal danke für den sachlichen und fundierten Kommentar – genau auf dieser ebene wollte und will ich die Diskussion verstanden haben. Mein Beitrag ist schon eine Weile alt und enstand aus der relativ geringen Reflektion des Themas in den meisten Lauf-Veröffentlichungen und (bis hin zu durchgesteckten Interviews) einem Eifer, den ich sonst nur von Apple-Produkten kannte. mein Artikel war als Gegengewicht gedacht und zwei Punkte sind weiterhin nicht zu entkräften: die Angreifbarkeit auf dem physikalischen Feld und das Lizenzsystem dahinter.
Die Diskussion Vor-, Mittel- und Fersenlauf-Diskussion ist da auch wieder leicht anders.
Aber nochmal: Danke! Bisher fundiertester Kommentar zum Thema.
Viele Grüße
Stephan
Hallo Stephan,
vielen Dank für diese Artikel und die sachkritische Auseinandersetzung. Ich hatte in Erwägung gezogen, mir das Buch zu kaufen, da ich meinen Laufstil aufgrund anhaltender Probleme ändern muss. Allerdings haben mich die (vielleicht zu) guten und mäßig begründeten Rezensionen skeptisch werden lassen und nach einiger Recherche, scheint es mir eher oder vor allem eine Methode zu sein, mit der man Geld verdienen möchte.
Hallo zusammen,
mir ist in einigen Kommentaren aufgefallen, dass viele Aspekte zusammengeworfen wurden, die zwar in der Ausführung z.B. einer Bewegung sich bedingen, allerdings zunächst isoliert zu betrachten sind. Ich komme aus dem Turniertanzsport (Standard/Latein) und Tänzer werden gedrillt ihr Körperzentrum (Schwerpunkt im Körper) unter Kontrolle zu haben.
Ganz zu Beginn ist zu sagen, dass die Veröffentlichung des Buches und auch die Zertifikate ein Mittel zum Geld verdienen sind und die Pose-Methode somit auch ein Verkaufsprodukt, aber das dürfte nicht verwunderlich sein.
Die Grundannahme bei Romanov bzgl. des Körpers und Verletzungen ist „Wenn alle Teile des Körpers gut funktionieren und harmonisch zusammenarbeiten, sollte es keine Verletzungen geben“ (S. 23). Wenn dies der Ausgangspunkt ist, dann muss zunächst dafür gesorgt werden, dass der Körper die Voraussetzungen aufweist, um harmonisch zu arbeiten (gleichmäßiger Muskletonus, Koordination der Gelenke und Musklegruppen, aufrechter und balancierter Stand), dies kann nur geschehen, wenn die Körperbalancen (horizontal wie auch vertikal) trainiert und ausgebildet werden. Sobald die Balancen nicht stimmen steuert der Körper durch zusätzliche Muskelanspannungen gegen, damit man nicht umfällt. Das Einhalten oder trainieren der Balancen steht somit vor jeglicher Übung in seinem Buch und auch vor jedem Lauftraining. 2/3 seines Buches bestehen aus Übungen, die das Laufen vorbereiten bzw. zum Zeitpunkt des Startens mit dem Laufen weitertrainiert werden sollen. Die funktionierende Mechanik des Körpers ist somit essentiell für die Pose-Methode und aus dem Tanztraining weiß ich, wie lange es dauert die Grundlagen zu trainieren, bevor man eine Bewegung als Tanzbewegung bezeichnen kann und nicht als stolpern oder Verusch.
Die Theorie der „Schwerkraft“:
Romanov fokussiert die Schwerkraft als Motor der Bewegung und im Tanzsport ist dies genauso. Wenn man beobachtet, wie eine Gehbewegung (auch im Alltag) gestartet wird, fällt einem relativ schnell auf, dass der erste Bereich unseres Körpers -der sich in Bewegung setzt- der Oberkörper ist und dort der Bereich unterhalb des Sternums bzw. der Körperschwerpunkt (im Tanzsport „Center of gravity“). Je nach Intensität der Vorwärtsbewegung des Center of gravity erhöht man im Tanzsport die Geschwindigkeit, mit der das Körpergewicht (Bodyweight) sich durch den Raum bewegt. Je nach Beschleunigung passt sich der im vorhin trainierte Bewegungsmechanismus an (Schrittgröße). Die Schwerkraft (Center of Gravity) in Verbindung mit einer binnenkörperlichen Koordination und der Koordination des Bewegunsapparats bewegt, je nach Trainigsstand, mehr oder weniger harmonisch den Körper nach vorne bzw. auch nach hinten. Die Muskeln helfen im Tanzen, das Fallen (oder die gewollte dynamische Disbalance) in Bewegung und Kunst umzusetzen. Umso schneller ein Tanz ist umso mehr lässt man sich fallen und versucht sein Körpergewicht zum Boden zu bringen. Wenn man stoppen möchte oder „statische“ Figuren tanzt bringt man sein Center of Gravity vom Parkett weg.
Kritik an Romanov’s Buch:
Ich finde zunächst die Idee richtig und gut, damit sich ein Körper durch das Nutzen der Schwerkraft bewegen kann. Allerdings müsste noch eindringlicher der Fokus auf eine solide „Vor“-Trainingsleistung gesetzt werden, um überhaupt die Grundlagen für diesen Laufstil zu schaffen (koordinierte Motorik, ausgeglichener und ausreichender Muskeltonus im gesamten Körper, um die Balancelinien zu halten). Außerdem benennt Romanov zwar den Ballen als Ausgangpunkt seiner Laufmehtode, jedoch wäre es wichtig auch hier einen Verweis oder Darstellung auf die Anatomie des Fußes zu machen, da die richtige Position des Knöchels im Verhältnis zum Ballen ausschlaggebend ist, damit die Balancelinie wirklich balanciert ist (Knöchel dürfen nicht nach innen oder außen wegdriften. Das Wegdriften der Knöchel kann im Resultat zu den Verletzungen führen, die von Tucker und seinem Kollegen festgestellt wurden, da sich dort eine Disbalance eingeschlichen hat, die dann unter Belastung zu einer Fehlbelastung geführt hat.
Im Grund ist Romanov’s Buch eine verkürzte Form der Bewegungslehre mit Fokus auf dem Laufen und Übungen zur generellen Aktivierung des Körpers. Beweglichkeit und Koordination kann man mit seinem Buch bestimmt verbessern, wenn man sich Zeit nimmt in Ruhe zu trainieren. Alle anderen Vorteile die Romanov anspricht hängen davon ab, wie genau und aufmerksam trainiert.
Wie Michael D schon sagt, es gibt nicht den einen Laufstil, da jeder seinen eigenen Stil entwickelt, aber es gibt Grundbewegungen, die alle Top-Läufer oder Top-Tänzer haben und die anderen haben diese nocht nicht oder werden diese auch nicht bekommen, da sie sich nicht „selber“ damit auseinandersetzen – sondern es allein Trainern etc. überlassen ihnen Wissen aufzubereiten. Ein Trainer ist ein Begleiter für die Entwicklung, aber das Nötige zu lernen muss jeder Sportler für sich selbst.
Viele Grüße
Marcus