Kommentar

Es muss nicht immer Ironman sein

"Du machst Triathlon? Echt? Den Richtigen oder den Anderen?" - Triathlon hat sich mittlerweile vom Rand- zum Trendsport entwickelt. Das hat große Vorteile - provoziert aber auch ein Zerrbild des Ausdauersports. Ein Kommentar

Jetzt hat sogar die Wochenzeitung „Zeit“ entdeckt, dass Triathlon ein Trendsport ist. Einen Triathlon für den Lebenslauf titelt der Onlineauftrit des renommierten Blattes, und schreibt den athletischen Dreikampf der Mittel- und Oberschicht zu.

Dabei vergisst die Zeit nicht, die Schattenseiten des Trends zu benennen: Menschen, die ihre Leistungsgrenzen nicht kennen, sich überschätzen. Und Veranstalter, die sich gegenseitig die Teilnehmer wegnehmen.

Mir als Triathlet stößt besonders eines häufiger auf: Triathlon wird in der Medienlandschaft und im Empfinden der Masse mehr und mehr mit der Langdistanz gleichgesetzt – im Sprachgebrauch „Ironman“.

Zum einem passt mir dabei nicht die Reduktion der Langdistanz auf eine Marke. „Ironman“ wird im Triathlon-Zusammenhang anscheinend das neue „Tempo“-Taschentuch, die Marke bezeichnet also eine ganze Produktkategorie. Den Rechte-Inhaber von „Ironman“ wird es freuen. Aber es setzt wunderbare Veranstaltungen wie die Quelle Challenge Roth unfair herab.

Kritikpunkt zwei: Das Reduzieren von Triathlon auf Ironman lässt die Wertschätzungsschwelle für Sprint-, Kurz- und Mitteldistanzen sinken. Es fehlt gerade unter Einsteigern das Verständnis dafür, dass ein Sprint vielleicht ein ganz anderes Training vorraussetzt, ganz andere Schmerzen hervorruft. Niemand würde es einfallen in der Leichtathletik den 1.000 Meter Lauf als Mini-Variante eines Marathons zu verstehen. Beim Triathlon scheint das dagegen der Regel-Fall: Die Langdistanz gilt als Maßstab für die gesamte Sportart. Kürzere Distanzen sind kein „ganzer“ Triathlon. Eine Aussage, die ich schon häufiger gehört habe.

Der Ironman als Everest

Die Langdistanz wird zum neuen Mount Everest: Hauptsache man erklimmt ihn, wie und in welcher Zeit das ist doch egal – die Gefahr für Knochen, Leib und Leben wird in Kauf genommen.

Welche Gefahr? Jemand, der gerade ein bisschen Sporterfahrung hat, will 14 oder 15 Stunden Schwimmen – Radfahren – Laufen. Diese Belastung soll der Körper nach einem Jahr Training tolerieren? Die Gelenke? Der Kreislauf? – Klingt wenig klug, finde ich.

Außerdem: Jeder Mensch hat unterschiedliche Begabungen – der eine mehr Ausdauer, der andere ein höheres Tempo. Nach dieser Einschätzung sollte die kluge Wahl der Distanz fallen.

Wer sich wirklich für den Sport interessiert und nicht einfach eine Langdistanz für den Lebenslauf will, sollte in längeren Zeiträumen denken, sich hocharbeiten von kurzen Distanzen auf längere. Er sollte bewerten, welche Distanz ihm am besten liegt, welche sich auch mit seinen Lebensumständen (Zeit für das Training) deckt.

Triathlon ist in allen Varianten schön und herausfordernd…

… es muss eben nicht immer Ironman sein.

7 Antworten zu “Es muss nicht immer Ironman sein”

  1. Sebastian Kurt

    Ja genau, Danke für das Statement!

  2. Mathias

    Das musste mal angesprochen werden!

  3. Stefan

    Ich glaube, sehr, sehr viele Triathleten projezieren ihre Lebenshaltung und die gesellschaftlichen Leistungszwänge auf unseren Sport, der doch von der Grundphilosophie Gewinn an körperlicher Fitness und Freude an der Bewegung bestimmt sein sollte ! Soziale Anerkennung ( “ ich bin Triathlet/ Ironman !“) und Prestigegewinn auf der beruflichen Ebene sind nicht selten die Grundmotivation, die den Hobbysportler treiben und den Spaß am Sport pervertieren ! Triathlon ist ein grossartige Herausforderung und eine wunderschöne Möglichkeit, aktiv zu sein ! Traurig wäre es, wenn unser Sport zum Spiegelbild der kranken Leistungs- und Ellenbogengesellschaft verkommen würde ! Wie oft vergessen Teilehmer an Wettkämpfen die Grundtugenden Fairness und Sportlichkeit, da wird im Wasser geschlagen und getreten, auf der Radstrecke gepöbelt und schikaniert ! Wie armselig und bedauernswert !
    Solche Muster spielen im Arbeitsleben schon eine viel zu hässliche Rolle, im Triathlon dürfen sie nichts zu suchen haben !
    Ich glaube, das Motto “ das Wichtigste ist, mit einem Lächeln ins Ziel zu kommen!“ sollte wieder mehr an Bedeutung gewinnen !
    …..Stefan

  4. stephan

    @stefan

    Sehr schön gesagt. Ich bin zwar durchaus auch Ehrgeizig, was meine sportlichen Ziele angeht. Aber das schließt Spaß und Fairness nicht aus.

    Fairness ist ein grundlegender Bestandteil eines Sports. Und ein wichtiger Punkt am Sport ist es auch, seine Grenzen zu kennen und sich selbst einschätzen zu können. Diese Grenzen gehören BEHUTSAM verschoben.
    Ein Newbie auf einer Langdistanz tut das nicht.

  5. Rene

    Wie immer sehr schön geschrieben und den Nagel auf den Kopf getroffen.

    Danke Stephan

  6. stephan

    @Rene
    Ui Danke. Ich bin fast etwas baff, dass das Thema anscheinend bei einigen Emotionen hervorruft…

  7. Nico

    Hallo zusammen,
    wollte nur kurz zustimmen. Besser als Stefan kann man es nicht auf den Punkt bringen.

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